Nach Auffassung des Gesetzgebers entspricht auch die tatsächliche Pflege, Erziehung und Betreuung eines minderjährigen Kindes einer Unterhaltsleistung und zwar der des sogenannten Naturalunterhalts. Der Elternteil, bei dem das Kind nach Trennung/Scheidung der Kindeseltern wohnt erfüllt bereits durch diese Leistung seine volle Unterhaltsverpflichtung dem Kind gegenüber. Der andere Elternteil hingegen hat in der Regel Unterhalt in Form einer monatlich im Voraus zu zahlenden Geldrente zu leisten. Nichteheliche Kinder sind ehelichen Kindern unterhaltsrechtlich gleichgestellt.
Als Richtlinie für die Höhe der Unterhaltsleistung gilt die Düsseldorfer Tabelle. Diese ist sowohl in unterschiedliche Einkommensgruppen als auch Altersstufen des Kindes untergliedert. Je älter das Kind ist desto höher ist der zu beanspruchende Unterhaltsbetrag.
Reform der Höhe des Kindesunterhalts 2008
Wesentlich zur Reformierung der Unterhaltsbeträge trägt die Abänderung der Einkommensgruppen im Rahmen der Düsseldorfer Tabelle bei. Nach altem Recht waren die jeweiligen Einkommensgruppen in 200 Euro – Schritte untergliedert, d. h., die unterste Gruppe endete bei einem Einkommen bis 1.300 Euro und die nächsthöhere bei einem Einkommen bis 1.500 Euro. Nach neuem Recht umfasst die unterste Einkommensgruppe ein Einkommen bis 1.500 Euro und die nächsthöhere liegt um 400 Euro höher, somit bei einem Einkommensbetrag bis 1.900 Euro. Daraus ergibt sich nach neuem Recht eine Zusammenfassung von zwei Einkommensgruppen zu jeweils einer neuen Gruppe.
Die Mindesttabellenunterhaltssätze (d. h. unterste Unterhaltsstufen) und auch die Tabellenunterhaltsbeträge im Übrigen sind in allen Altersstufen in erheblichem Umfang erhöht worden.
So kann beispielsweise ein Kind im Alter von 0 – 5 Jahren einen Mindesttabellenunterhalt statt bisher in Höhe von monatlich 202 Euro nunmehr einen Betrag in Höhe von 279 Euro, ein Kind im Alter von 6 – 11 Jahren statt bisher monatlich 245 Euro nunmehr 322 Euro, ein Kind im Alter von 12 – 17 Jahren statt monatlich 288 Euro jetzt monatlich 365 Euro und ein Kind ab 18 Jahren statt eines Betrages in Höhe von monatlich 389 Euro nunmehr 408 Euro monatlich beanspruchen. Bei volljährigen Kindern, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, bemisst sich der Unterhalt nach der 4. Altersstufe der Tabelle.
Beispiel zur Berechnung von Kindesunterhalt
Ein 6-jähriges Kind, das im Haushalt der Mutter lebt begehrt Unterhalt vom Vater, der monatlich netto einen Betrag in Höhe von 1.600 Euro verdient. Hier ist zu rechnen wie folgt: 1.600 Euro abzüglich 5% für berufsbedingte Aufwendungen mit 80 Euro, verbleiben anrechnungsfähig monatlich 1.520 Euro. Danach ist der Kindesvater einzugruppieren in Einkommensstufe 2 (Einkommen von 1.501 Euro – 1.900 Euro) der Düsseldorfer Tabelle. Aufgrund des Alters des Kindes ist die 2. Altersstufe (6-11 Jahre) maßgeblich. Somit ergibt sich ein Tabellenunterhalt zugunsten des Kindes in Höhe von monatlich 339 Euro. Von diesem Betrag in Abzug zu bringen ist das hälftige Kindergeld (unter der Voraussetzung, dass die Kindesmutter das Kindergeld bezieht) mit monatlich 77 Euro, sodass sich ein zu zahlender Unterhaltsbetrag ergibt in Höhe von monatlich 262 Euro.
Anrechnung von Kindergeld
In Abänderung der bisherigen Regelung wird ab 01.01.2008 bedarfsdeckend das hälftige Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch angerechnet und zwar bei Minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern. Bei Volljährigen wird das Kindergeld in voller Höhe auf den Unterhaltsbedarf in Anrechnung gebracht.
Im Rahmen dieser im Wesentlichen angehobenen Unterhaltssätze im Kindesunterhalt kommt die Intention des Gesetzgebers – Privilegierung der Kinder – klar zum Ausdruck. Auch unter Berücksichtigung des anteiligen Kindergeldes ergeben sich in der Regel höhere Zahlbeträge als bisher.
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind in den Unterhaltsbedarfssätzen nicht enthalten.
Unterhalt bei Ausbildung oder Studium
Die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes, das im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt, ist auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen, jedoch zuvor um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 90 Euro monatlich zu kürzen.
Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, beträgt in der Regel 640 Euro. Hierin enthalten sind bis zu 270 Euro monatlich für Unterkunft (Warmmiete). Unterhaltsansprüche sind zudem im Verhältnis zu Leistungen nach dem BAföG vorangig in Anspruch zu nehmen. Bestehen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, vorläufig Leistungen nach dem BAföG zu erhalten und Unterstützung bei der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs vom zuständigen BAföG-Amt zu erhalten.
Ob und inwieweit Studiengebühren in dem Unterhaltsbetrag enthalten oder darüber hinaus im Rahmen des Sonderbedarfs geltend zu machen sind, ist zurzeit noch streitig. Ansich ist davon auszugehen, da es sich um halbjährlich und damit vorhersehbar regelmäßig auftretende Kosten handelt, dass der Unterhaltsberechtigte von dem jeweiligen Unterhaltsbetrag eine entsprechende monatlich Rücklage bildet, um daraus die Studiengebühren zahlen zu können.
Zu einer anderen Ansicht kommt die Rechtsprechung in einem Urteil aus dem Mai 2009. Das OLG Koblenz sieht den Unterhaltsschuldner zur Zahlung der Studiengebühren verpflichtet, wenn diese vor der Fälligkeit durch die Studierenden eingefordert worden seien.
Mehrbedarf und Sonderbedarf
Kosten für Klassenfahrten und gegebenenfalls auch Nachhilfekosten können unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Beteiligten unter Umständen neben den üblichen Unterhaltsbeträgen im Zuge des Sonderbedarfs beansprucht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um einen unregelmäßigen Bedarf in außergewöhnlicher Höhe handelt. Es muss demgemäß ein unvorhersehbarer Bedarf vorliegen, der im Rahmen der laufenden Unterhaltsregelung noch nicht berücksichtigt werden konnte.
Laufende, vorhersehbare zusätzliche Kosten sind unter Umständen neben dem Unterhalt ggf. als sogenannter Mehrbedarf geltend zu machen. Mehrbedarf ist beispielsweise dann gegeben, wenn wegen einer Erkrankung eine besondere Ernährung des Kindes erforderlich ist.
Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners
Zu beachten ist auch nach neuem Recht weiterhin, dass dem Unterhaltsschuldner der sogenannte notwendige Eigenbedarf (Selbstbehalt) nach Abzug des zu zahlenden Unterhalts verbleibt.
Dieser beträgt gegenüber minderjährigen unverheirateten und volljährigen unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, monatlich 900 Euro, soweit der Unterhaltsschuldner erwerbstätig ist. Bei Nichterwerbstätigen beträgt der Selbstbehalt monatlich 770 Euro. Hierin enthalten sind bis zu 360 Euro für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete). Anderen volljährigen Kindern gegenüber beträgt der Selbstbehalt monatlich 1.100 Euro.
Dieser Selbstbehalt steht dem Unterhaltsschuldner zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs zwingend zu und darf in der Regel nicht unterschritten werden.
Die wesentliche Änderung des Unterhaltsrechts ab 2008 besteht demgemäß darin, dass es eine sogenannte Mangelfallberechnung nicht mehr geben wird. Vorrangig werden die Unterhaltsansprüche sämtlicher minderjähriger und ihnen gleichgestellter privilegiert volljähriger Kinder befriedigt und der ebenfalls unterhaltsbedürftige Ehegatte ist gegebenenfalls auf den bis zum Selbstbehalt verbleibenden verteilungsfähigen Restbetrag verwiesen.
Verwirkung des Kindesunterhalts
Unter bestimmten Voraussetzungen, die in § 1611 BGB geregelt sind, kann der Kindesunterhalt gekürzt werden oder ganz entfallen und zwar dann, wenn:
- der Unterhaltsberechtigte durch eigenes sittliches Verschulden unterhaltsbedürftig wird,
- der Unterhaltsberechtigte seine eigene Unterhaltspflicht dem Unterhaltsverpflichteten gegenüber gröblich verletzt
- der Unterhaltsberechtigte sich eine schwere Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen seiner Angehörigen zuschulden kommen lässt.
Hauptsächlich findet vorstehende Regelung Anwendung auf den Fall der nachhaltigen Kontaktverweigerung der Kinder gegenüber dem Unterhaltspflichtigen. Gleichwohl stellt die Unterhaltsverwirkung eine seltene Ausnahme dar. Im Übrigen finden die Verwirkungsfolgen ausschließlich Anwendung auf volljährige Kinder.