Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beginnt am Dienstag den 20.10.2009 ein Verfahren, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelsätze für Kinder beim Bezug von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) geprüft wird.
Nachtrag: Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 09.02.2010 festgestellt, dass die Berechnung der Regelsätze verfassungswidrig ist.
Ausgangspunkt des Verfahrens, an dessen Beginn am Dienstag eine erste mündliche Verhandlung steht, sind zwei Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) sowie ein Verfahren vor dem Hessischen Landessozialgericht (LSG).
Diese Gerichte haben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Regelungen des SGB II und legten diese daher dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle, der sogenannten „Richtervorlage“, zur Prüfung vor.
Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist aufgrund der umfangreichen Anhörungen im Rahmen des Verfahrens jedoch wohl erst Anfang 2010 zu rechnen.
Im Detail bestehen aufseiten der vorlegenden Gerichte und nach Auffassung vieler Experten erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einzelner Regelungen. Insbesondere verfassungsrechtlich fragwürdig ist die prozentuale, nach dem Kindesalter abgestufte Bindung der Regelsätze für Kinder an die Höhe der Regelsätze für erwachsene Leistungsbezieher.
Als verfassungswidrig könnte hierbei einzustufen sein, dass die Höhe der Regelleistung nicht am tatsächlichen, existenzdeckenden Bedarf des jeweiligen Kindes orientiert ist und darüber hinaus die zum Existenzminimum gehörenden Bedarfe für Erziehung und Betreuung unbeachtet bleiben.
Weiterhin werden Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG gerügt, die aus einer teilweisen Schlechterstellung von Kindern, deren Eltern ALG II beziehen gegenüber Kindern, deren Eltern Sozialhilfe beziehen, resultieren. Für Letztere kann – anders als bei Kindern von ALG II Beziehern – unter Umständen auch weiterer Bedarf neben der Regelleistung geltend gemacht werden.
Ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 GG könnte nach Meinung der vorlegenden Gerichte in der (ehemals) einheitlichen Höhe der Regelleistung für Kinder bis 14 Jahre liegen. Es sei nicht erklärbar, warum schulpflichtige Kinder kein entsprechend höherer Bedarf zuteilwerde. Dies habe der Gesetzgeber nach Auffassung der Gerichte auch durch die Neufassung der Regelsätze im Juli 2009 sowie die Einführung des Schulstarterpakets des § 24a SGB II eingestanden. Insbesondere die Leistungen im Rahmen des Schulstarterpakets in Höhe von 100 Euro pro Jahr seien nicht ansatzweise bedarfsdeckend.
Denkbar, jedoch eher unwahrscheinlich, ist auch die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Regelsatzes für Erwachsene durch das BVerfG. Dieser bildet die Grundlage der Kinder-Regelsätze.
Ob und in welcher Höhe betroffene Bezieher von Arbeitslosengeld II aufgrund einer möglichen Verfassungswidrigkeit Anspruch auf Nachzahlungen haben, hängt neben dem Richterspruch auch vom bisherigen Vorgehen der Betroffenen ab. Sollte das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelsätze für Kinder feststellen, sind rückwirkende Nachzahlungen grundsätzlich nur zu erwarten, wenn ein entsprechender Widerspruch oder ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X rechtzeitig gestellt wurde.