Das Bundesverfassungsgericht kommt in zwei am heutigen Mittwoch verkündeten Urteilen (Az.: 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) zu dem Schluss, dass § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), der Regelungen über die Grundleistungen für den leistungsberechtigten Personenkreis enthält, verfassungswidrig ist.
Die betreffende Norm ist nach Auffassung des ersten Senats nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG vereinbar.
Etwa 130.000 leistungsberechtigte Personen in Deutschland erhalten bis zu einer Neufestlegung der Grundleistungen, die nach dem Urteilsspruch der Karlsruher Richter „unverzüglich“ vorzunehmen ist, ab sofort (und rückwirkend für nicht bestandskräftig festgesetzte Leistungen ab Januar 2011) Leistungen, die sich an den deutlich höheren Leistungssätzen der Sozialhilfe orientieren müssen.
Der erste Senat des Bundesverfassungsgericht hält die Höhe der Grundleistungen schon deshalb für evident unzureichend, weil die seit 1993 angefallenen Preissteigerungen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Zudem ist die Höhe der Leistungen nicht nachvollziehbar berechnet worden. Ferner stellte das BVerfG fest, dass die Menschenwürde „migrationspolitisch nicht zu relativieren“ ist. Die Leistungen nach dem AsylbLG dürfen also nicht niedrig gehalten werden, um die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland gering zu halten. Die Entscheidungsrichtung hatte sich bereits in der mündlichen Verhandlung am 20.06.2012 abgezeichnet.
Das AsylbLG ist seit November 1993 in Kraft. Seitdem sind auch die hieraus zu gewährenden Leistungen in der Höhe unverändert. Sie betragen bis zu 225 Euro, wovon 40 Euro als Geldleistung zu erbringen sind.
Personen, die Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben, sind nach dem Gesetz vom Bezug der zur Zeit deutlich höheren Sozialleistungen nach dem SGB XII („Sozialhilfe“) bzw. dem SBG II („Hartz IV“) für die Dauer einer 48 monatigen Vorbezugszeit ausgeschlossen. Das Gesetz gilt insbesondere für Asylsuchende, Kriegsflüchtlinge, Geduldete und vollziehbar Ausreisepflichtige und andere im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis befindliche Personen sowie deren Partner und minderjährige Kinder.
Ausgangspunkt der konkreten Normenkontrollverfahren sind Prozesse vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Dieses hatte die zugrunde liegenden Berufungsverfahren wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der genannten Norm des AsylbLG ausgesetzt und dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt.