Der in Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe befasste sich in seinem heutigen Urteil (AZ: XII ZR 74/08) erstmalig mit der Frage, wie lange ein Elternteil Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils für die Betreuung des gemeinsamen Kindes (Betreuungsunterhalt) in Anspruch nehmen kann.
Nach der Reform des Unterhaltsrechts zum 01. Januar 2008 erhält der Elternteil, der die Betreuung des Kindes übernimmt grundsätzlich nur noch drei Jahre lang den sogenannten Betreuungsunterhalt. Dieser Zeitraum kann jedoch immer dann verlängert werden, wenn dem Elternteil eine Arbeit in Vollzeit aus einzelfallbezogenen Gründen noch nicht zuzumuten ist. Der Anspruch auf Kindesunterhalt ist von der aufgeworfen Streitfrage hingegen nicht betroffen.
Nach der zuvor geltenden Rechtslage hätte der unterhaltsberechtigte Elternteil bis zum achten Lebensjahr des Kindes keine Beschäftigung annehmen und bis zum 15. Lebensjahr nur halbtags arbeiten müssen.
Wie bereits im Vorfeld angekündigt legte das Gericht keine klaren oder gar tabellarischen Zeitgrenzen fest, sondern verwies darauf, dass bei der Beurteilung in jedem Fall die Umstände des Einzelfalls beachtet werden müssten.
Für die Interessenabwägung, die das Gericht vorzunehmen hat, ist eine Vielzahl von Argumenten zu berücksichtigen. So können beispielsweise die Betreuungssituation, die Arbeitsbedingungen des betreuenden Elternteils und die Rollenverteilung in der vorangegangenen Ehe einen Einfluss auf die einzelfallbezogene Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruchs haben.
Im zu verhandelnden Fall betreut die in einer 70%-Stelle beschäftigte Lehrerin aus Berlin den gemeinsamen siebenjährigen Sohn, der zudem an chronischem Asthma leidet, seit dem Jahre 2003 allein. Tagsüber besucht das gemeinsame Kind bis 16 Uhr der Hort.
Das Gericht verwies den Fall an die Vorinstanz beim Kammergericht Berlin (AZ: 18 UF 160/07) zurück. Diese hatte mit Verweis auf das Alter des Kindes entschieden, dass die Mutter nicht Vollzeit arbeiten müsse. Diese Begründung ist nach Ansicht des höchsten deutschen Zivilgerichts nicht rechtlich gedeckt. Vielmehr müsse sich das Instanzgericht eingehender mit der Situation des Einzelfalls beschäftigen.
Zudem meldete der BGH-Senat Zweifel an, ob die Lehrerin nach 16 Uhr unterrichten müsse. Nur wenn der Gesundheitszustand des Kindes eine besondere Betreuung erfordere, könne die Mutter weiterhin bei vollem Anspruch auf Betreuungsunterhalt einer 2/3-Stelle nachgehen.