Geradezu gebetsmühlenartig wiederholte Außenminister Guido Westerwelle in den letzten Wochen seine Forderung, die sich angeblich sonst niemand auzusprechen wagt. Wer arbeitet, müsse mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Das, so Westerwelle, müsse man in diesem Lande doch noch sagen dürfen.
Der FDP-Chef präsentierte sich als Fels im Sturm in der von ihm selbst ausgerufenen Sozialstaatskrise. Sein Hauptargument: Leistung muss sich wieder lohnen. Befeuert wurden Westerwelles „Wahrheiten“ von den Zeitungen des Axel-Springer-Verlages. Diese präsentierten nahezu täglich Berechnungen, wonach viele Hartz IV Empfänger über mehr Geld als die im Niedriglohnsektor arbeitenden Menschen verfügen würden.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband legte nunmehr 196 Beispielrechnungen vor, die zu einem ganz anderem Ergebnis kommen. Danach beträgt der Lohnabstand zwischen Arbeitnehmern im Dumpinglohnbereich und ALG II Beziehern je nach Haushaltstyp zwischen 260 bis zu 900 Euro im Monat. „Wer arbeitet, hat immer mehr“, erklärte der Verbands-Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.
Die Behauptung, dass der Lohnabstand zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen nicht gewahrt werde, sei laut Scheider völlig haltlos und an der Grenze zur bewussten Täuschung. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier mit falschen, weil unvollständigen Berechnungen Klima und Politik gemacht werden sollen“, fügte er hinzu. So würden Einkommensberechnungen vorgelegt, wohl wissend, dass sie mit der Realität nichts zu tun haben.