Über die willkürliche Festlegung des
Regelsatzes wird der 1. Senat des
Bundesverfassungsgerichtes morgen zu befinden
haben, deshalb an dieser Stelle ein von mir
im Februar 2007 in der "uffn
wedding" veröffentlichter Beitrag:
Rentnergespräch
Warenkorb für ein menschenwürdiges Leben?
„Du Nirschl. Der Schwager vom Pawliczek ist
doch schon einige Zeit arbeitslos. Und als
Schlosser hat der mit seinen 48 Jahren kaum
noch Aussicht auf einen Job. Gestern hab ich
ihn getroffen, und da hat er mir erzählt,
dass er gar nicht mehr weiß, wie er mit den
345 € auskommen soll.“
„Wieso merkt er das denn jetzt erst?“
„Erst hat er ja noch Arbeitslosengeld I
bekommen, und in der Hoffnung, wieder eine
Anstellung zu kriegen, hat er anfangs noch
die Hypotheken für seine Wohnung bezahlt und
dabei seine ganzen Ersparnisse verbraucht.
Aber seit vier Monaten kriegt er nur noch
Hartz IV und der Verkauf seiner Wohnung hat
nicht mal ausgereicht, die restlichen Zinsen
und Hypotheken abzudecken.“
„Und wo ist das Problem Köstlmaier?
Schließlich haben Experten ausgerechnet, dass
man mit dem Geld ein menschenwürdiges Leben
führen kann. Die haben dafür extra einen
Warenkorb zusammengestellt.“
„Und wie hat man das gemacht?“
„Man hat das Verbraucherverhalten der
untersten 20 % Einkommensschicht zugrunde
gelegt.“
„Hm, das ist doch fair.“
„Natürlich hat man aus dem
Verbraucherverhalten prozentuale Abstriche
gemacht. So hat man sich zum Beispiel
gedacht, dass ein Hartz IV-Empfänger weder
Maßanzüge und Pelze, noch Wohnmobile und
Segelflugzeuge braucht.“
„Wie? Die unterste Einkommensschicht ist so
angesetzt, dass sie sich Segelflugzeuge
kaufen kann?“
„Natürlich nicht. Die Obergrenze liegt bei
985 Euro, aber schließlich ist es denen ja
nicht verboten, solche Sachen zu kaufen.“
„Aber den Warenkorb hat man doch sicher seit
1998 an die heutigen Preise angeglichen?“
„Man hat die Entwicklung des Warenkorbs nicht
an den Preisindex geknüpft, sondern an das
Rentenniveau. Da dieses seit 2003 unverändert
ist und bis 2009 auch so bleibt, ändert sich
am Warenkorb auch nichts.“
„Aber dann liegt ja praktisch immer weniger
Ware in dem Korb. Alleine schon durch die
Mehrwertsteuer-Erhöhung.“
„Köstlmaier, das siehst du ganz falsch. Wenn
man sich den Korb genau ansieht, ist das
alles völlig logisch.“
„Was soll denn daran logisch sein, Nirschl?“
„Na sieh mal: Zum Beispiel sind in dem Korb
20,74 € für Strom. Ich kenne zwar keinen, der
so eine niedrige Stromrechnung hat, aber
Hartz-IVer kriegen nur 1,70 € für
Reinigungsmittel, für Körperpflege ist gar
nichts ausgewiesen, also können sie ja auch
nur selten duschen oder ihre Waschmaschine
benutzen. Und von den 123,76 € für
Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren
können sie auch höchstens zweimal in der
Woche kochen. Da brauchen die natürlich viel
weniger Strom.
Und wenn die Rechnung doch höher ist, dann
müssen sie eben die 6 € für Schuhe einsparen
und die 5,95 € für Möbel. Letzteres ist doch
ohnehin frei verfügbare Masse. Bis sich der
Schwager vom Pawliczek von dem Geld neue
Möbel kaufen kann, liegt der doch längst in
der Kiste. Und die wird ebenso wie das
anonyme Massengrab schließlich vom Staat
bezahlt.“
„Nirschl, wenn das Verbraucherverhalten von
1998 stammt, dann müsste das Geld für
Gesundheitsaufwendungen aber erhöht worden
sein. Damals gab es ja noch keine
Praxisgebühr und keine
Arzneimittelzuzahlung.“
„Ja, das hat man natürlich berücksichtigt.
Deshalb wurde der Prozentsatz auch von 36 %
der Ausgaben der untersten Einkommensschicht
auf 60 % angehoben.“
„Aber es werden doch nach wie vor nur 345 €
gezahlt.“
„Tja, Köstlmaier, manchmal gibt es eben
seltene Zufälle. So haben die Experten
gleichzeitig mit der Erhöhung der
Gesundheitskosten festgestellt, dass man für
Nahrungsmittel und Bekleidung viel zu hohe
Prozentsätze berechnet hatte, und dies
revidiert. Dass dies auf den Cent genau die
Erhöhung im Gesundheitsbereich ausmacht, ist
nur einer dieser seltenen Zufälle.“
„Aber immerhin wird einem Hartz IV-Empfänger
ein Kleinauto zugestanden, damit er wegen der
besseren Mobilität größere Chancen am
Arbeitsmarkt hat.“
„Nun, das ist so nicht ganz richtig. Es liegt
ja schließlich kein Auto im Warenkorb. Er
musste es also vorher schon erworben haben.
Aber auch dann kann er es nur nutzen, wenn er
es zum Tretauto umbaut.“
„Wieso das denn?“
„Weil in dem Warenkorb weder Sprit, noch Geld
für KFZ-Steuer oder –Ver-sicherung sind.,
ganz zu schweigen von Reparaturen.
Komm Köstlmaier, lass uns zu Inge gehen,
bevor die auch noch Hartz IV beantragen muss.
Ich gebe einen aus.“