Zahlungslücke bei Wechsel von ALG II in Rente oder Beschäftigung

  • Hallo,


    Bei einem ALG II- Weiterbewilligungsbescheid hatte ich die Frist verpasst, der Bewilligungsdauer widersprechen zu können (aus 3 sollten 4 Monate werden).


    Nun wurde später zufällig mittels geändertem Bewilligungsbescheid (Änderungsbescheid) die Bewilligungshöhe geändert. Die ursprüngliche Bewilligungsdauer wurde unverändert übernommen.


    Also nutzte ich die Gelegenheit und holte meinen zuvor verpassten Widerspruch nach, indem ich bei diesem Änderungsbescheid der Bewilligungsdauer widersprach.


    Das tat ich voller Zuversicht, da m.E. das Widerspruchsrecht umfänglich und uneingeschränkt für das gilt, was Gegenstand einer Bewilligung ist. Und das ist in der Regel die Höhe und der Zeitraum der Bewilligung als untrennbare Teile des Ganzen. Von daher ist ein Bewilligungsbescheid in dem entweder Betrag oder Dauer fehlt, an sich undenkbar.
    Demnach muss man auch dem Betrag oder der Dauer, aber auch beiden zusammen widersprechen können bzw. dürfen.


    Das sieht jedoch das von mir zwecks einstweiligem Rechtsschutz angerufene Sozialgericht anders und schließt sich damit dem Jobcenter an.
    Das Sozialgericht sagt, dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid sei nicht widersprochen und dieser somit für beide Seiten bindend geworden. Daran hätten „..die Änderungsbescheide wohl nichts mehr geändert, da diese schon nach ihrem Regelungsgehalt eben nur die Zeit bis zum (Datum des Bewilligungsendes) ändern“.


    Was mich verwundert ist, dass ein Gericht das Wort „wohl“ verwendet, was so viel heißt, das es einen Sachverhalt annimmt, vermutet, und damit nicht genau weiß.


    Daraufhin, nebst einem weitern „wohl“ im Text, empfiehlt mir das Gericht, meinen Widerspruch und damit auch meinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzunehmen. Es sieht wenig Erfolgchancen, und das Verfahren würde eh viel Zeit beanspruchen.


    Was ist davon zu halten, gibt es ähnliche Erfahrungen ?


    Es geht übrigens bei dieser Sache um den, anders kann ich es nicht nennen, politischen Skandal, dass Wechsler von ALG II in die Altersrente, aber auch in ein Arbeitsverhältnis einen Monat lang mittellos sind, da die Auszahlung von ALG II am Anfang, dagegen die Rente oder der Arbeitslohn am Monatsende überwiesen werden.


    Das Jobcenter aber, 100% über diesen schon Jahre dauernden Missstand informiert, gewährt dennoch den Bewilligungszeitraum nur bis zum Monat vor Renten- oder Arbeitsbeginn. Ihm ist völlig egal, wie der frischen Rentner (oder Arbeitnehmer) den nächsten Monat überbrücken soll.


    Deshalb meine Bemühungen, per Widerspruch die Bewilligung um einen Monat zu verlängern.


    Der Wechsel von ALG II in Rente oder Arbeit dürfte ein nicht seltener wenn nicht sogar überaus üblicher Vorgang sein. Es ist ein Skandal, dass hier Betroffene offenbar systematisch übers Ohr gehauen werden sollen und so getan wird als ob es besagte Probleme nicht gäbe.


    Es ist unglaublich, wie viele Meinungen hierüber etwa im Internet kursieren, wobei nicht selten reine Meinungen als Tatsachen dargestellt werden und für noch mehr Verwirrung sorgen. Sogar über den Begriff „Zuflussprinzip“ ist man sich noch nicht mal einig. Jeder erzählt etwas anderes. Und die Jobcenter haben auch noch die Unverfrorenheit zu argumentieren, die Rente (oder der Lohn) würde doch am Monatsende „zufließen“ und stände somit doch diesen Monat, also die vorausgehenden 4 Wochen, zur Verfügung.

  • Hallo,


    die Lösung dieses Skandals nennt sich " Überbrückungsdarlehen ".


    ...und noch ein Skandal: Ich wurde zum Monatsletzten gekündigt und erhielt auch am Monatsletzten meinen Lohn. Dann war das JC so frech und zahlte mir am nächsten Tag mein ALG II.


    wevell

  • Dein Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Änderungsbescheid enthält hinsichtlich der Bewilligungsdauer lediglich eine "wiederholende Verfügung", d. h. er verfügt nichts neues. Und damit bist du nicht in der Widerspruchsfrist. Du kannst nur angreifen, was mit dem Änderungsbescheid neu verfügt wird.


    Du kannst aber hinsichtlich des ursprünglichen Bewilligungsbescheides einen Überprüfungsantrag stellen und die bewilligte Dauer damit abprüfen lassen. Wieso wurde überhaupt nur für 3 Monate bewilligt? Lt. Gesetz soll ja im Normalfall für 6 Monate bewilligt werden? Und wieso stellst du nicht einfach nach Ende des Bewilligungsabschnittes einen neuen (Folge)Antrag?

  • Hallo Turtle 1972


    Danke für Deine freundliche Antwort.


    Deine Ausführungen klingen für mich durchaus plausibel und verständlich. Das Gericht hat mir wahrscheinlich ähnliches sagen wollen, nur eben in einer für mich als Laien unverständlichen Sprache.


    Ich werde Deinem Rat folgend wohl Überprüfungsantrag stellen, wenn ich auf anderem Wege nicht weiter komme.


    Mein Weiterbewilligungsantrag wurde für nur 3 Monate bewilligt, weil ich in Altersrente gehe. Nur dass ich einen Monat mittellos sein werde, war mir da noch nicht klar, bzw. konnte ich mir im Traum nicht vorstellen, dass es so etwas schon über Jahre überhaupt gibt und offenbar auch politisch so gewollt ist.


    Ich habe mich vor allem im Netz schlau gemacht und kann nur staunen welche Uneinigkeit und Vielfalt von Meinungen über einen ganz normalen Vorgang, dem Wechsel von ALG II in Rente oder Arbeit, und der damit verbundenen Zahlungslücke, kursiert.


    Öfter sind mir Argumente begegnet, manchmal auch mit hämischem, ruppigem, übergriffigem Unterton (solche Postings sollte man einfach ignorieren), Betroffene hätten ja bei Beginn der Arbeitslosigkeit „doppelt kassiert“ weil der letzte Lohn am Monatsende und ALG gleich am folgenden Monatsanfang ausgezahlt würde. Diese Doppelbezahlung wäre ja dann quasi ein vorauseilender gerechter Ausgleich für die Zahlungslücke am Ende der Arbeitslosigkeit.


    Wenn solche Doppelbezahlung überhaupt möglich ist, ist solcher Vorteil m.E. genauso ein politischer Skandal, wie der Nachteil einer Zahlungslücke.
    Wenn einerseits das Jobcenter mittlerweile sogar wissen will, wie viel Geld die Leute momentan in ihrer Geldbörse haben, aber andererseits klaglos besagte Doppelbezahlung leisten, ist das alles andere als logisch oder konsequent.
    Man muss sich doch fragen welch Geistes Kind solche Verantwortliche aus der Politik sind, dies solche Konstellationen schaffen und dann, noch schlimmer, trotz unzähliger Proteste, es gibt auch schon Petitionen gegen die Zahlungslücke, nichts daran ändern.


    Und wer sich über solche Doppelbezahlung freut, denkt in dem Moment nicht weiter, denn irgendwann wird er mit besagter Zahlungslücke konfrontiert. Eigentlich müsste man sich das anfangs doppelt bezahlte Geld für diese spätere vorprogrammierte unweigerliche Zahlungslücke aufheben, wenn nicht das Jobcenter dazu aufordern würde, Geldüberschuss offen zu legen und zum Lebensunterhalt aufzubrauchen.
    Zudem ist solche Freude über die Doppelbezahlung inkonsequent. Denn nicht nur hier, im Recht allgemein, huldigen viele dem Rechtstaat nur, solange Vorteile für sie heraus kommen. Aber auch Vorteile können auf Unrecht, Verfahrensfehlern oder unausgegorenen Gesetzen aufgebaut sein, was aber dann gerne übersehen wird. Sich die Rosien rauspicken und dann den Rechtsstaat hochjubeln, aber im anderen Falle ihn zu kritisieren, ist inkonsequent.


    Übrigens fand in meinem Fall, und bestimmt vielen anderen Fällen auch, solche Doppelbezahlung überhaupt nicht statt. Denn ich kündigte meine Arbeit per Abfindungsvertrag. Deshalb trat eine Sperrzeit ein und ich musste zudem einige Zeit meinen Lebensunterhalt von dieser Abfindung, eigentlich Geld, das ich mir erarbeitet, ich also „verdient“ habe, bestreiten. Erst als das Geld vollends aufgebraucht war, hatte ich Anspruch auf ALG II-Leistungen.


    Jedenfalls kann doch nicht so schwer sein, Die Auszahlungszeitpunkte so anzugleichen, dass sie zusammenpassen und keine Zahlungslücke entsteht.


    Meine Rente beträgt nur 730 Euro, weil ich für den Rest meines Lebens meiner Ex 230,- € „Versorgungsausgleich“ zahlen muss. Die hat neu geheiratet, lebt im Ausland in Saus und Braus, hat für unser gemeinsames Kind nie Unterhalt bezahlt. Dagegen muss ich nun für den Rest meines Lebens um aufstockende „Grundsicherung im Alter“ betteln, mit all seinen entwürdigenden zyklischen Nachfragen nach meinen Vermögensverhältnissen. Irgendwann, man wird ja nicht fitter, ist man mit dem ganzen den alten Menschen zunehmend aufgebürdeten Behördenkram überfordert. Ein Aufblühen einer einträglichen „Betreuungsindustrie“ ist vorprogrammiert und vielleicht sogar beabsichtigt.


    Meine Ex ist fünf Jahre jünger als ich. Jeder normal denkende Mensch würde doch jetzt annehmen, dass mir ja dann wenigstens die 5 Jahre bis zu deren Rentenbeginn die 230,-€ zuständen und ich nicht um Aufstockung betteln müsste. Und nie wieder im Falle, wenn die EX sterben würde.
    Aber denkste, die 230,-€ mtl. werde ich so oder so nie bekommen. Der Staat, bzw. die Rentenkasse hält es dann einfach ein.


    Dem Jobcenter ist meine geringe Rentenhöhe bekannt. Dennoch besitzt es die Unverfrorenheit mir zwecks Überbrückung der Zahlungslücke ungefragt mit einem Darlehen „entgegenzukommen“, das ich aber schon einen Monat später in einem Rutsch zurückzahlen soll. Dabei wird mir in alter Manier, die können wohl nicht anders, alles Mögliche angedroht, wenn ich nicht zurückzahle. Die Möglichkeit einer Ratenzahlung wird mir gar nicht erst angeboten.


    Dass sich aufgrund meiner geringen Rente eine Unterstützung als Darlehen verbietet, auch nicht in Raten zurückgezahlt werden muss, woher sollte das Geld auch kommen, interessiert das Jobcenter nicht. Es scheint nicht nur hier System dahinter zu stecken, es erst mal zu versuchen, in der Hoffnung auf Unbedarfte zu stoßen, die sich das gefallen lassen.

  • Hallo Turtle 1972


    Als Jahrgang 1949 gehöre ich zu den Kandidaten, die ihre Altersrente erst mit 65 Jahren und 3 Monten antreten können.
    Meine Altersente beginnt am 01.Oktober 2014. Ausgezahlt wird der erste Rentenbetrag für Oktober jedoch erst Ende Oktober.


    ALG II bekam ich jedoch nur bis einschließlich September bewilligt. Das Geld für September bekam ich wie üblich Ende August. Somit entsteht eine 4wöchige Mittellosigkeit.


    Dagegen habe ich mich per Widerspruch wehren wollen, die Sache ist noch offen, und habe dafür mit dem “Zuflussprinzip“, zumindest dem, was ich mir darunter vorstelle, argumentiert.


    Über die Definition des „Zuflussprinzip“ besteht aber offenbar Uneinigkeit. In den Richtlinien der Arbeitsagentur steht:


    „Der Bezug einer Rente wegen Alters beginnt erst mit dem Zufluss der Rentenleistung. Daher ist auch der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 4, 2. Alt. SGB II erst zu diesem Zeitpunkt erfüllt.“


    Hier wird nach meiner Wahrnehmung verschiedentlich, vielleicht sogar mehrheitlich ernsthaft die Meinung vertreten, eine am Monatsende ausgezahlte, „zugeflossene“ Leistung stände ohne Wenn und Aber in dem Monat zur Verfügung. Dass dem Monatsende 4 mittellose Wochen voran gehen, wird dabei einfach ignoriert.


    In einem Urteil des BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 161/11 R heißt es jedoch:


    „Nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme ist als bereites Mittel geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken; die Anrechnung einer fiktiven Einnahme zur Bedarfsminderung ist nach dem System des SGB II dagegen ausgeschlossen.“


    Dies ist m.E. jenseits aller Theorie die einzig schlüssige, realistische und lebensnahe Definition des „Zuflussprinzips“, denn nur mit tatsächlich und nicht nur fiktiv verfügbarem Geld kann das Leben im Monat Oktober (in meinem Falle) finanziert werden. Rente, die erst Ende Oktober eingeht, vermag dies nicht.

  • Hallo,


    dass von dir zitierte Urteil betrifft das SGB II. Du bist aber ab 01.10. im Rechtskreis des SGB XII.


    Die SozÄ kennen dieses Dilemma und gewähren auf Antrag grundsätzlich ein Darlehen. Das Darlehen ist dann mit " bis zu 5 % " des RB zu tilgen. Es gibt SozÄ, die verzichten auf eine Rückzahlung.


    wevell

  • Hallo wevell


    Es geht mir hier um eine allgemeingültige Definition des „Zuflussprinzip“ und wollte aufzeigen, dass der zitierte BSG-Text m.E. die einzig mir bekannte schlüssige, realistische und lebensnahe Definition des „Zuflussprinzips“ darstellt.


    Ob sich das BSG dabei mit einem SGB II-Fall befasste, aber für mich nun SGB XII greift, dürfte bei solchen Grundsatzfragen unerheblich sein.


    Wenn Du schreibst, einige Sozialämter würden auf Rückzahlungen verzichten, liest sich das so ähnlich, als ob analog dazu einige Städte etwa bei Diebstahl, rote Ampel überfahren usw. ein Auge zudrücken, auf Bestrafung verzichten würden. Also Rechtsauslegung nach Gutsherrenart?


    Heißt das jetzt, dass man hat eben Pech hat, wenn man nicht im Wirkkreis eines solchen „großzügigen“ Sozialamtes wohnt?


    Wenn es solche Ungleichbehandlung tatsächlich gibt, dürfte das eindeutig verfassungswidrig sein (ich muss jetzt wohl nicht relevante GG-Artikel zitieren).


    Aber bei diesem „Rechtsstaat“ der sich m.E. in einer Sackgasse befindet, weil er sich in seinem Paragraphendschungel und seiner isolierten Sondersprache offenbar nur noch selbst befriedigt, aber die Menschen zunehmend aus dem Auge verliert, wundert mich nichts mehr.


    Ich weiß ja nicht wie es früher war, hatte erst bei meiner Scheidung erstmalig mit Gerichten zu tun, aber ich habe den Eindruck, dass heute nur noch der Recht bekommt, der, bzw. sein Anwalt, nicht vergessen hat, alle fallrelevanten Gesetze im Wortlaut zu zitieren.
    Wurde nur ein Punkt vergessen, wird man im Leben nicht von der Gegenseite fairerweise darauf aufmerksam gemacht. Nein, die Gegenseite nutzt rücksichtslos diese vermeintliche „Wissenslücke“ aus, um zu „gewinnen“. Das wird dann sogar zuweilen als „clever“ bewundert.


    Somit werden Anwalts und Gerichtsschreiben immer ausführlicher und dicker, weil sich die Parteien gegenseitig Tonnenweise Gesetzestexte, also allgemein bekannte Binsenweisheiten zuschmeißen. In der Hoffnung, dass die Gegenseite einen Punkt vergisst und man da dann zupacken kann.


    Das hat nichts mehr mit „gleiches Recht für alle“ zu tun sondern ist zu einem Kampf Wissender gegen Unwissende verkommen.
    Davon, dass der Wissende fairerweise den Unwissenden über dessen Defizit aufklärt, kann man nur träumen.
    Auch so manche Sachbearbeiter der Jobcenter verfolgen solche Strategie, Unwissende zu übervorteilen, dabei ihre umfängliche Auskunfts- und Beratungspflicht ignorierend.


    Diese Beratungspflicht wurde in der Entscheidung B 14/11b AS 63/06 R - vom 31.10.2007 des BSG noch mal genauer definiert.
    Demnach umfasst die Beratungspflicht Beratung über zustehende Hilfsleistungen, über Rechtsformen (Wohn- oder Bedarfsgemeinschaften usw.). Auf rechtliche Unkenntnis, Unsicherheit, Formulierungsfehler oder dem Vergessen, eine zustehende Leistung zu beantragen, muss der Kunde aktiv hingewiesen werden. Passiv nur auf Kundenfragen zu reagieren, reicht nicht. Denn was Kunden per se nicht wissen, können sie auch nicht hinterfragen. Offensichtliche Unkenntnis darf Kunden nicht zum Nachteil gereicht, ihnen zustehende Leistungen nicht vorenthalten werden.