Übernahme der NK-Nachforderung abgelehnt

  • Ein Ratsuchender erhielt gestern folgenden Bescheid:


    Das Jobcenter ... erläßt folgenden Bescheid:
    I. Der Antrag auf Übernahme Ihrer Nebenkostennachforderung in Höhe von 25,50 Euro wird abgelehnt.
    Gründe:
    Gemäß der vorgelegten Betriebskostenabrechnung beträgt ihr Anteil an den Gesamtbetriebskosten Ihrer Wohnung (Ohne Heizung und Warmwasser inklusive eines eventuellen Umlageausfallwagnisses), 385,50 Euro. Davon wurden bereits 360,00 Euro gezahlt. Es ergibt sich eine Nachzahlung in Höhe von 25,50 Euro. Da Sie jedoch bereits die Höchstgrenze für einen 1-Personen-Haushalt an Kaltmiete und Nebenkosten erhalten, ist eine weitere Übernahme leider nicht möglich.


    Wenn es nur ein Einzelfall wäre, könnte man über diesen Schwachsinn direkt noch lachen. Man bedenke, dass sich diese Ablehnung auf die Kosten für die Müllabfuhr, Grundstückshaftpflichtversicherung, Grundsteuer, sowie Wasser- und Kanalgebühren, welche pro Kopf abgerechnet werden, beziehen. Wie, so frage ich mich, soll der Leistungsbezieher diese Kosten mindern? Weiterhin frage ich mich, wo denn diese Höchstgrenze herkommt? Wahrscheinlich wurde sie vom Bürgermeister und dem Teamleiter des Jobcenters zwischen zwei Bieren am Stammtisch ausgewürfelt :).


    Würde mich mal interessieren, ob derartige Rechtsbeugungen an anderen Jobcentern ebenfalls Gang und Gäbe sind.


    Gawain

  • Mit Rechtsbeugung hat das nichts zu tun, sondern mit der Auslegung eines sogenannten "unbestimmten Rechtsbegriffes". Bedenke, dass das Gesetz eben keinen Rahmen für die Kosten der Unterkunft und Heizung vorsieht, sondern nur von "angemessen" spricht. Daher haben die Kommunen in pflichtgemäßem Ermessen ihre Richtlinien entwickelt, die für die Beschäftigten in den Jobcentern bindende Weisungen darstellen.


    Insoweit kannst du nur über die gerichtliche Schiene prüfen lassen, ob die örtlichen Richtlinien den Anforderungen des BSG an ein "schlüssiges Konzept" entsprechen. Nur dann, wenn du das gerichtlich erkämpfst, darf von den bindenden Weisungen der Kommune abgewichen werden, weil dann ein Gericht festgestellt hat, dass das, was die Kommune als "angemessen" ansieht, nicht ordentlich ermittelt wurde.


    Turtle

  • Die Nachforderung kann niemals unangemessen sein, da sie in der Hauptsache Versicherungen und Gebühren betrifft, welche in jeder anderen Wohnung im Landkreis in derselben Höhe entstehen würden. Zudem würde der Betroffene selbst dann anteilig Wasser- und Kanalgebühren bezahlen, wenn er selbst keinen Tropfen Wasser verbrauchen würde.


    Natürlich kann das Jobcenter hergehen und den Betroffenen zur Minderung der NK auffordern (wenn dies überhaupt möglich wäre), aber dies befreit sie nicht von der Zahlung der gegenwärtigen Nachforderung. So die Aussage eines örtlichen Anwaltes, welcher die von Kommune und Jobcenter festgelegten Höchstgrenzen als nicht bindend betitelt, da der Gesetzgeber, wie Du selbst schreibst, lediglich zwischen angemessen und unangemessen unterscheidet.


    Gawain

  • Richtig! In einem Rechtsstaat ist es aber auch üblich, dass man Amtsträger, welche sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig machen, zur Rechenschaft ziehen kann. Es kann ja nicht angehen, dass man vor solchen versuchten Betrügereien ständig die Augen verschließt und es mit einem Widerspruch gut sein läßt. Wer sich bewußt ins Unrecht setzt, muss auch dafür geradestehen!

  • Richtig! In einem Rechtsstaat ist es aber auch üblich, dass man Amtsträger, welche sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig machen, zur Rechenschaft ziehen kann. Es kann ja nicht angehen, dass man vor solchen versuchten Betrügereien ständig die Augen verschließt und es mit einem Widerspruch gut sein läßt. Wer sich bewußt ins Unrecht setzt, muss auch dafür geradestehen!


    Es gibt immer noch einen Unterschied zwischen Rechtsbeugung und Rechtsauslegung! Hier haben wir es keinesfalls mit einer Rechtsbeugung zu tun.

  • Gawain  
    Du hast Recht, dass diese Nebenkosten nicht von dir gesenkt werden können. In dem Fall ist aber dann die Wohnung an sich, also schon mit der Kaltmiete, zu teuer. 360 EUR ist bei deinem Jobcenter die Höchstgrenze für Kaltmiete+Betriebs-/Nebenkosten ohne Heizung u. WaWa, darüber hinausgehende Nebenkosten sind schlicht nicht übernahmefähig. Das wird überall so gehandhabt und ist von "Rechtsbeugung" selten weit entfernt.

  • Zur Richtigstellung:
    1. Es geht nicht um meine Wohnung!
    2. Besagte € 360 sind der Jahresbetrag der kalten Nebenkosten. Selbige wurden in diesem Fall in der Vergangenheit immer bezahlt, aber nun sind Brandversicherung und Grundstückshaftpflichtversicherung teurer geworden.


    GG52
    Da gibt es keinen Spielraum für eine Rechtsauslegung. Wenn Versicherungen teurer werden, dann ist die Kommune gefordert, sich den Gegebenheiten anzupassen, denn der Mieter würde, wie ich schon geschrieben habe, in jeder anderen Wohnung mit denselben Gebühren belastet werden. Dies ist dem Leistungsträger seit Monaten bekannt aber wie so oft wird erst einmal versucht die Hilfebedürftigen übers Ohr zu hauen.


    Gawain

  • Deshalb gibt es ja Höchstgrenzen der Angemessenheit. Lt. BSG ist vom Produkt der Kaltmiete und der kalten Nebenkosten auszugehen.


    Wenn also ein JC sagt: Das bei uns höchste angemessene Produkt ist 400 Euro für eine Person und man mietet sich genau diese Höchstgrenze an, dann gibt es eben später keine evtl. Nebenkostennachzahlung. Weil mit den 400 Euro das Höchstmögliche gezahlt wird.


    Es geht auch im ALG 2 darum, eigentverantwortlich zu handeln. Wenn man weiß, dass 400 Euro das Maximum sind und dass es ggf. NK Nachzahlungen geben kann, dann sollte man halt eine Wohnung z. B. bis 350 Euro oder 380 Euro suchen. Damit noch Luft nach oben ist.


    Und Gawain: wie ich schonmal erläuterte: Nein, es ist keine Rechtsbeugung!!! Kann es aufgrund des unbestimmten Rechtsbegriffes "angemessen" gar nicht sein.


    Turtle

  • turtle
    Du solltest mal richtig lesen! Ich habe geschrieben, dass es sich hierbei um Kosten handelt, welche dem Betroffenen in jeder anderen Wohnung des Landkreises in derselben Höhe belastet würden. Müllgebühren, Grundstückshaftpflichtversicherung, Grundsteuer etc. das sind doch alles Kosten die der Betroffene garnicht mindern kann. Wie könnte dann besagte Wohnung plötzlich oberhalb einer Höchstgrenze liegen, welche ein JC in dieser Form garnicht festzulegen hat.


    Was den Begriff Rechtsbeugung betrifft, so habe nicht ich, sondern der Anwalt der betroffenen Parteien etwas damit am Hut und der wird als Volljurist schon wissen, was er tut. Mich bekümmert lediglich, dass man mal wieder gegen die absolute bei den JC's vorherrschende Dummheit oder Frechheit oder beides zusammen ankämpfen muss.


    Gawain

  • Wieso soll man keine Müllgebühren mindern können? Ich bezahle z. B. eine Grundgebühr und dann noch für jede Tonne extra, 10 Tonnen im Jahr sind in der GB enthalten, jede zusätzliche kostet dann.


    Aber darum geht es nicht. Es geht schlichtweg um die Produkttheorie. Du bist sicher so schlau und kannst dich selbst darüber kundig machen. Vielleicht verstehst du es dann.


    Turtle

  • Zitat

    Wieso soll man keine Müllgebühren mindern können?


    ... weil es neben Thüringen auch noch andere Bundesländer gibt, in welchen dies nicht möglich ist, z.B. Bayern. In meiner Region ist eine 55-Ltr.-Tonne die kleinste Einheit! Diese Tonne wird 14-tägig entleert und hat eine fixe Gebühr, gleich ob Du sie vor die Türe stellst oder nicht.
    Ebenso nicht minderbar ist die gesetzliche Brandversicherung, die Grundstückshaftpflichtversicherung und die Grundstreuer.


    Sparen könnte der Betroffene am Wasserverbrauch und damit auch an den Kanalgebühren, aber weil es hierfür keine Einzelzähler gibt, wird der Verbrauch pro Kopf abgerechnet. Dies bedeutet: Selbst wenn der Betroffene keinen Tropfen Wasser verbraucht, würde er dennoch aufgrund seiner Anteile € 134 an Gebühren bezahlen und nicht einmal € 20 einsparen.


    Ich hoffe das es nun auch Turtle verstanden hat :confused:

  • turtle
    Scheinbar kannst Du der Thematik intellektuell nicht ganz folgen, denn eine Kürzung der Unterkunftskosten ist rechtswidrig, wenn eine Kostensenkung in der Praxis garnicht realisierbar ist. Besagte Wohnung galt bisher (Bezug war, so meine ich, im Jahre 2007) als angemessen. Dem Mieter ist es nicht möglich, die Kosten zu senken, auch nicht durch Umzug in eine andere Wohnung.
    Wohlgemerkt, wir sprechen in diesem Falle von einem Nachzahlbetrag von € 25,50 für ein ganzes Jahr!!!


    Ich finde, wir haben das nun alles zur Genüge diskutiert. Warten wir einfach mal ab was heraus kommt. Ich werde davon berichten!


    Gawain

  • Ich glaube, bei dir ist irgendwas im Oberstübchen schon verkalkt. Du scheint nämlich dem nicht folgen zu können, dass es das gibt, was man die Höchstgrenze der Angemessenheit nennt. Und das ist ein fester Betrag. Ob das nun 100 Euro Kaltmiete und 500 Euro Nebenkosten oder 500 Euro Kaltmiete und 100 Euro Nebenkosten sind, ist völlig egal. Höchstgrenze sind 600 Euro, DAS PRODUKT...


    Und als selbstverantwortlicher Bürger muss man eben abwägen, ob man gleich eine Wohnung für 600 Euro anmietet oder eben eine für 500, weil ja das "Produkt" noch steigt, wenn die NK Abrechnung kommt.

  • Gegen die Ablehnung der Übernahme in Widerspruch gehen, ggf. klagen, weil ich kein Jobcenter kenne, dessen Angemessenheitskriterien nach den Vorgaben des Bundessozialgerichtes auf einem sogenannten "Schlüssigen Konzept" beruhen.


    Darauf kann man sich natürlich bereits im Widerspruch berufen, vielleicht wendet dann die Widerspruchsstelle dann gleich die Angemessenheitskriterien des § 12 WoGG zzgl. eines Sicherungszuschlages von 10% an, so, wie es das BSG für Kommunen, deren Konzept nicht schlüssig ist, bestimmt hat.


    Turtle

  • Okay! Das hätten wir auch mit weniger Nervenverbrauch haben können! Widerspruch ist schon eingereicht, in insgesamt 12 Fällen.
    Ich räume ein, das besagter Anwalt die ganze Sache ziemlich angeheizt hat. Was dieser damit erreicht, soll nicht meine Sorge sein, ich finde nur, dass es nicht sein muss, wider besseres Wissen den Leistungsbeziehern Unmöglichkeiten abzuverlangen und sie dadurch beim Vermieter in Mißkredit bringt.


    Gawain