Ist Wohngeld eine Sozialleistung bzgl. SGB II

  • :confused:


    Hallo,


    Um Unterscheiden zu können, ob das Kind bei einem Alleinerziehenden als Bedarfsgemeinschaft angesehen wird, zählt man die Einkommen des Kindes zusammen.


    So weit so gut.


    Aus früheren Beiträgen habe ich erfahren, dass wenn das Kind im Haushalt des ALG-II-Beziehers Einkommen aus Kindergeld, Unterhalt und Wohngeld bezieht, die Bedarfsgemeinschaft als Haushaltsgemeinschaft mit großzügigeren Freibeträgen angesehen wird.


    Frage: Gilt das Wohngeld für das Kind als Einkommen und kickt damit ggf. das Kind aus der Bedarfs in die Haushaltsgemeinschaft oder verbleibt das Kind in der Bedarfsgemeinschaft, weil Wohngeld eine Sozialleistung ist?


    Viele Grüße


    Schlaglochsucher:

  • Hallo Schlaglochsucher,


    die Praxis sieht so aus, dass z.B. viele alleinerziehende Mütter aufgefordert wurden/werden für ihr Kind Wohngeld zu beantragen, da dieses zusammen mit Kindergeld und Kindesunterhalt ein Einkommen ergibt, welches das Kind unabhängig von Hartz IV macht. Es geht also einzig und allein darum, die Statistik bzgl. Hartz-IV-Kinder zu schönen.


    Das Kind verbleibt dennoch in der Bedarfsgemeinschaft der Mutter (§7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II)
    Auch wird das Überhangeinkommen des Kindes weiterhin der Mutter als Einkommen angerechnet.


    Ich hoffe dies beantwortet Deine Frage.;)
    Gruß Gawain

  • Der angegebene Paragraf ist aber genau der Grund, wieso das Kind eben nicht mehr zur BG der Eltern/des Elternteil gehört:


    Zitat


    Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
    ....die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.


    Kann ein Kind also seinen Lebensunterhalt selbst decken, gehört es nicht zur BG. Das äußerst sich bei über 15jährigen Kindern z. B. darin, dass sie bei Ausbildungs- und Arbeitssuche von der BA und nicht vom Jobcenter betreut werden.


    So auch die fachlichen Hinweise der BA zu § 7, Randziffer 7.23:


    Zitat

    (3) Ein Kind gehört nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern, wenn
    ...


    es seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten kann,
    Beispiel:


    Das Kind (16 Jahre) erhält eine bereinigte Ausbildungsvergütung in Höhe von 400,- €, sowie Kindergeld in Höhe von 154,- €. Der Bedarf des Kindes beträgt 476,-€ (Regelsatz 80 % + anteilige KdU).
    Das Gesamteinkommen des Kindes in Höhe von 554,- € übersteigt den Bedarf des Kindes.


    http://www.harald-thome.de/media/files/SGB%20II%20DA/FH-07---20.01.2010.pdf.pdf


    Turtle

  • Turtle1972


    Wir reden hier von einem Kind und nicht von einem Jugendlichen mit Erwerbseinkommen. Zudem habe ich die Praxis angesprochen.
    Ein Jugendlicher mit Erwerbseinkommen kann mit seiner Mutter in HG leben und verfügt auch selbst über sein Einkommen. Ein Kind aber kann meine Haushaltsgemeinschaft bilden und ist auch niemals der Empfänger des ihm angerechneten Einkommens (KG, WG, UH).
    Entsprechend ist das KInd auch weiterhin Bestandteil des Leistungsbescheides der Mutter und dessen Überhangeinkommen ist Einbkommen der Mutter.

  • Dem ist nicht so. § 7 Abs. 3 Nr. 4 spricht explizit von KINDERN und nicht von Jugendlichen. Damit fallen alle Kinder, die über Einkommen (und dazu zählt nunmal Unterhalt und Kindergeld, letzteres unter Beachtung von § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und Wohngeld , Halbwaisenrente, Waisenrente usw..) verfügen und deren Einkommen höher als ihr Bedarf ist. Insoweit solltest du dir nochmals die fachlichen Hinweise der BA durchlesen und nicht darauf pochen, dass man der Einfachheit halber im Beispiel ein 16jähriges Kind genommen hat. Es steht nämlich auch dort "Kind" und nicht "Jugendlicher".


    Es gibt im Übrigen dazu noch weitere Fundstellen, die genau das untermauern, z. B. im Hinblick auf die Frage, wem das Wohngeld als Einkommen anzurechnen ist:


    "Das einer vom Wohngeld ausgeschlossenen wohngeldberechtigten Person bewilligte Wohngeld ist bei Sozialleistungen nicht als deren Einkommen zu berücksichtigen."

    http://www.gesetze-im-internet.de/wogg/__40.html

    Die Mutter ist als ALG 2 Bezieherin aber eine ausgeschlossene Person (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 WoGG), somit ist es eben nicht ihr Einkommen.

    Dazu auch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

    http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A07-Geldleistung/A071-Arbeitslosigkeit/Publikation/pdf/Erlass-des-BMVBS-2009-08.pdf

    "Durch diese Anrechnungsmethode nach dem SGB II kann das Wohngeld insbesondere bei Kindern, die Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft sind, dazu führen, dass diese nicht mehr hilfebedürftig sind. § 40 WoGG schließt die Anrechnung des Wohngeldes bei diesen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht aus. Allerdings ist das Wohngeld bei der ausgeschlossenen wohngeldberechtigten Person nach § 40 WoGG nicht als Einkommen anzurechnen. "



    "Beispiel 1: Alleinerziehende mit Kind


    Mutter und Kind bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II und erhalten ALG II/Sozialgeld.


    Es wird geprüft, ob das Kind mit dem neuen Wohngeld seine Hilfebedürftigkeit überwinden könnte. Die Mutter als Mieterin hätte einen Wohngeldanspruch für ein zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied (das Kind). Dieses Wohngeld darf bei der Hilfebedürftigkeitsprüfung der Bedarfsgemeinschaft nach § 40 WoGG nicht bei der Mutter als Einkommen angerechnet werden. Es wird nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II beim Kind als Einkommen angerechnet. Da das Kind mit diesem neuen Wohngeld seinen Bedarf decken kann, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und wechselt in den Wohngeldbezug als vorrangige Leistung. "


    Du kannst mir auch ruhig glauben, dass in den Jobcentern genauso verfahren wird. Das garantiere ich dir als Sachbearbeiter einer Widerspruchsstelle eines JCs.


    Turtle

  • Zitat

    Du kannst mir auch ruhig glauben, dass in den Jobcentern genauso verfahren wird. Das garantiere ich dir als Sachbearbeiter einer Widerspruchsstelle eines JCs.


    Das könnte ich Dir x-fach widerlegen. Ich betreue seit Jahren ehrenamtlich Hartz-IV-Empfänger und stieß in meiner Region immer wieder auf diese Praxis, dass das Überhangeinkommen des Kindes der Mutter als Einkommen angerechnet wird.
    Nimm es nicht persönlich, aber ich halte nicht viel von SB's bei den Jobcentern, da geben sich Willkür und Rechtsbeugung den Türdrücker in die Hand und ich kenne viele Fälle bei welchen die Meinung der Widerspruchsstelle letztendlich doch dem Richterspruch vor einem SG weichen musste.

  • Das ist ja auch korrekt. Das Übergangeinkommen ist als Kindergeld (und daher auch nur bis max. zur Höhe des Kindergeldes) dann dem kindergeldberechtigten Elternteil als Einkommen anzurechnen. Denn nach dem EStG ist das Kindergeld Einkommen des Kindergeldberechtigten und wird nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II nur in dem Umfang Einkommen des Kindes, wie es dieses für den eigenen Unterhalt benötigt.


    Das Kind ist aber trotzdem aus der BG raus.


    Übrigens gibt es auch viele Richtersprüche von SGs, die dann später vom LSG oder BSG kassiert werden.


    Aber wenn dich noch nichtmal die hochoffiziellen Seiten der Agentur oder von Ministerien überzeugen, dann verbleibe weiter bei deiner - leider falschen - Rechtsauffassung. Sehr schade, besonders dann, wenn du wirklich ehrenamtlich ALG 2 Empfänger betreust. Dann sollte es dein ureigenstes Interesse sein, die Zusammenhänge zu verstehen. Und wie du siehst, ist auch die Anrechnung eines "Überhangs" bei den Eltern mit dem Gesetz erklärbar.


    Turtle

  • Zitat

    Und wie du siehst, ist auch die Anrechnung eines "Überhangs" bei den Eltern mit dem Gesetz erklärbar.


    Ich habe doch von nichts anderem als dem Überhangeinkommen gesprochen. Weist Du, es wäre schön, wenn geltendes Recht von jedem JC gleichwertig Beachtung finden würde, aber dem ist leider nicht so. Erst gestern ist ein neues Problem hinzugekommen, welches ich in einem neuen Thread beschreiben werde. Vielleicht kannst Du dazu etwas sagen, denn ich habe bislang nichts gefunden, woran man dieses festmachen könnte.


    Gruß Gawain

  • Halllo Turtle,


    meiner Freundin habe ich geraten gegen einen Bescheid vom Oktober l. J. Einspruch einzulegen. Dieser wurde bei der Widerspruchstelle Ende Februar verhandelt. Dort wurde in der mündlichen Verhandlung vom Entscheider (keine AHnung ob das ein Richter war) bestätigt, dass meine Freundin mit Ihrer Tochter eine Haushaltsgemeinschaft führe und der Einkünfteüberhang der TOchter gegenüber dem H2-Satz nicht meiner Freundin angerechnet werden dürfe. Der erste Korrekturbescheid sah ganz gut aus. Darin wurde von einer Nachzahlung gesprochen. Diese wurde nicht geleistet. 3 Wochen später gab es dann wieder mehrere Korrekturbescheid. In denen wurde abwechselnd von einer Bedarfgemeinschaft und im anderen Fall von einer Haushaltsgemeinschaft unterstellt.


    Die Argumentation geschah so, dass man die hälftige Miete der Tochter im Zusammenhang mit der Haushaltsgemeinschaft abgezogen hat. Das war noch nachvollziehbar. Dann hat man aber den Überhang von 190 Euro der Tochter zum Bedarfssatz als Einkünfte der Mutter angerechnet, weil das bei einer Bedarfsgemeinschaft ja so üblich sei.


    Man pickt sich nur die vorteilhaften Aspekte seitens des Jobcenters heraus, um die Leistungen gering zu halten.


    Leider hat die Arge 2 Monatsmieten in 2010 nicht überwiesen. Ich habe ihr diesen Betrag ausgeliehen, damit sie nicht auf der Straße sitzt. Jetzt argumentiert die Arge so, dass die Antragstellerin ja noch Rücklagen gehabt hätte, die sie nicht angegen hätte und mit denen sie die Fehlsumme ausgeglichen habe.


    Diese Strategie verfolgt die damalige Arge bereits sei 2009. Ständig wurde ihr Einkommen (überhöhte Unterhaltszahlungen) unterstellt, obwohl sie die Kontoauszüge mit den tatsächlichen Bezügen stets nachgewiesen hat. Als Folge wurden die Mietzahlungen soweit reduziert, dass der Vermieter ihr gekündigt hatte. (Das könnte man gesondert diskutieren aber ich will mich hier nicht verzetteln) Nun hat sie eine Wohnung die 50 Euro teurer ist, aber gewisse Anteile der Miete zahle man ihr nicht, weil dazu die Arge nicht verpflichtet sein. Das sind so Dinge wie Betriebskosten und Möbellierung. Dafür passt die aktuelle Wohnung jetzt in das lokale Schema für ALG2-Empfänger. Die alte Wohnung war genau 1m² zu groß - aber in der Summe wesentlich billiger. Jetzt wissen wir auch, dass der geforderte Umzug nicht rechtens gewesen wäre, weil sie 1. nicht mutwillig umziehen dürfe (die Arge hat es aber zuvor gefordert) und 2. sie alleinerziehend ist.


    Meine Freundin soll erstens die 2 Monatsmieten nebst Zinsen nachgezahlt bekommen. Außerdem wollen wir festgestellt wissen, ob die mündliche Entscheidung der Widerspruchstelle vom Sachbearbeiter zu befolgen ist. Sollte die Haushaltsgemeinschaft zu dem Ergebnis führen, wie Du es hier zuvor beschrieben hast, dann werden alle Bescheide nachträglich überprüft werden. Das soll ja gemäß §45 SGB 5 (Zitat gawain aus einem anderen Thread) möglich sein.


    Das blöde an allen ist, dass die Rechtsanwälte auf Beratungsschein nicht gerade hoch motiviert sind. Der Anwalt meiner Freundin, hat den Bescheid mal 3 Wochen liegen lassen vor Ostern. Gerade noch auf dem letzten Tag haben wir dann beim Sozialgericht die Klage mit dem Ziel der Aufhebung dieser Bescheide geschafft. Prozesskostenhilfe muß ja ständig neu beantragt werden.


    Ich bin bisher mitgegangen und nun schöpft sie wieder Mut, dass nicht alles so "Sch..." sei, wie es aussähe.


    Die Arge nun Jobcenter hat ständig zu Lasten meiner Freundin etwas unterstellt, um die Leistungen permanent zu reduzieren. Gerade die Berechnungen der Einkünft wurden dabei nicht nachvollziehbar begründet. Außerdem hält man es ebenso wenig für notwendig aufzuführen, wieviel Geld wann - wohin gezahlt wird.


    Mal sehen, ob es etwas bewirkt.


    Vielen Dank und über weitere Hinweise bin ich jederzeit dankbar.


    Euer schlaglochsucher

  • In einer Widerspruchsstelle wird nicht verhandelt. Da sitzen Sachbearbeiter, meistens Juristen, die sich die Akte angucken und dann entscheiden, ob dem Widerspruch ganz oder teilweise statt zu geben ist oder ob er abgewiesen wird. Genausogut gibt es keine mündlichen Widerspruchsbescheide. Der SB Widerspruch gibt einen Stattgabevorschlag an den SB Leistung, der den dann umsetzt oder - wenn er es fachlich anders sieht - über seinen Vorgesetzten nochmals zur Prüfung gibt. Und wenn er den WS zurückweisen will, erstellt er einfach einen Widerspruchsbescheid.


    Richter sitzem beim Gericht und um von einem Richter eine Entscheidung zu bekommen, muss man klagen.


    Fakt ist, dass, wenn das Kind Einkommen über seinem Bedarf hat, dieses dann bis zur Höhe des Kindergeldes bei der Mutter anzurechenen ist. Daran gibt es nichts zu rütteln, da hilft auch keine Klage.


    Was das mit den 2 Monatsmieten auf sich hat, kann ich nicht beurteilen. Einfach so ohne Grund wird das Amt ja die 2 Mieten nicht gezahlt haben. Es muss in den 2 Monaten irgendwas gewesen sein. Wenn ich nicht weiß was, kann ich dazu nichts sagen.


    Turtle