Geringverdiener für Artikel gesucht

  • Hallo Community,


    für einen Zeitungsartikel suche ich dringend einen Geringverdiener (idealerweise verheiratet mit Kind/-ern aus dem Raum Aschaffenburg, Offenbach, Darmstadt-Dieburg, Frankfurt) dessen Netto-Einkommen unter dem Hartz IV-Regelsatz für seine Situation liegt.


    Keine Sorge, niemand soll bloßgestellt werden. Ich werde darüber berichten, wie derjenige sein Leben mit so wenig Geld meistert, wie er sich motiviert trotz niedrigem Lohn zu arbeiten etc.


    Der Artikel erscheint in PrimaSonntag bzw. in der StadtZeitung (Blätter des Funkhaus Aschaffenburg).



    Bitte hier im Forum melden, im Thread, per PN oder E-Mail. Ich beantworte gern weitere Fragen.

  • Hallo,


    die erste Frage sollte sein, wie wird man zum Geringverdiener? Du solltest also differenzieren. Ich gehörte zu den Besserverdienern, aber durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall 2006, durch den meine Arbeitsfähigkeit auf 3 bis 4 Stunden reduziert wurde, wurde ich zum Geringverdiener. Um unsere kleinen Familie, mit 8 - jährige Tochter, wenigsten den Lebensunterhalt zu sichern, mussten ich und meine Frau ALG II beantragen.


    Es sind also nicht nur die kleinen Einkommen, die zum Leben eines Aufstockers führen, sondern auch Versicherungen und Richter, die meinen, dass man für Prozesskostenhilfe zu arm ist (Antragsablehnung kann vorgelegt werden) und nur trotz lebenslanger, medizinisch nachgewiesener Behinderung schmarotzen will.


    Ich arbeite als Dozent in der Erwachsenenbildung und auf Grund meiner zeitlichen Einschränkung erhalte ich nur Honoraraufträge. Meine Frau ist im Moment in einer Maßnahme und so hat sie wenigstens auch Kontakte zur "Aussenwelt", denn seit ALG II ist der Kontakt zu den Nachbarn zu Teil unterbrochen oder eingeschränkt, man fühlt sich als Aussätziger. Meine Frau hat auch einen Job um weiter am Leben teilzunehmen.


    Wie leben wir?
    Im Moment führen wir noch ein Leben im unteren Mitelstand, da ich, als ich noch eine Vollzeitstelle hatte, sparen konnte. Leider nähert sich unser Sparvermögen 0 und so ist abzusehen, dass wir bald nur noch mit ALG II plus unserem Eigenbehalt auskommen müssen. Wir hatten Glück, da wir eine lange Vorlaufphase hatten und uns so auf diese Situation einstellen konnten.


    Da unsere Tochter ist sehr aktiv(finden wir toll, sollen Kinder in dem Alter auch) und so ist der Verschleiss an Kleidung enorm, was natürlich durch die geringen Sätze kaum ausgeglichen werden kann, so dass Eltern auf die für sie bestimmten Gelder zurückgreifen müssen.


    Auch die Schule ist ein großer Kostenfaktor und die 100,- € im August sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Die zusätzliche finanziellen Belastungen sind, da bis heute im Kindersatz Bildung nicht vorgesehen ist, enorm; Fotokopiergeld, Theaterbesuch, Tagesausflug, Klassenkasse, Schulverein, Schulbekleidung, Chor T-´Shirt und und und
    Schulbücher können zwar gemietet werden, aber in den meisten Schulbüchern sind Aufgaben, die in den Büchern gelöst werden müssen, also müssen diese gekauft werden.
    Die Schwimmzensur richtet sich nach den erworbenen Schwimmabzeichen und das bei, alle 14 Tage eine Stunde. Ein Schwimmbadbesuch mit Elternteil um die Schwimmabzeichen zu erwerben ist kaum unter 10,- € zu haben, Folge schlechtere Zensur.


    In der Schule könnte zum Teil eine Reduzierung oder ein Erlass der Kosten beantragt werden, aber es bestände für unsere Tochter die Gefahr der Stigmatisierung und Diskreminierung, so dass wir, wie viele Eltern auch wohl den Bildungschip nicht in Anspruchnehmen werden.Schule und Studium sind die einzige Möglichkeit aus dem Teufelskreis der Abhängigkeit von Transfernleistungen zu entkommen, deshalb werden wir unsere Tochter mit allen Mitteln unterstützen und eher Bedürfnisse reduzieren.


    Obwohl ich unter denjenigen, die ich berate immer mehr Uni-Absolventen mit guten Examina, sogar einen Arzt im Praktikum und eine Person mit Doktortitel habe, hoffe ich meiner Tochter durch eine gute Ausbildung ausreichend Lebenschancen mitgeben zu können.



    Vorteilhaft ist es natürlich, wenn man kochen kann, ein wenig handwerklich begabt ist, Berechnugsbögen lesen kann, erkennt das die ARGE - Mitarbeiter laufend berechtigte Leistungen nicht gewähren und gegen wesentliche Rechte und Gesetze verstossen( kann ich durch Ablehnungsbescheide meiner Ratsuchenden belegen).


    So kann man ersten viel Geld sparen, sich ausgewogen ernähren und Reparaturen in der Wohnung und am alten Auto, muss leider sein auf Grund der Gehbehinderung, ausführen. Auch der kleine eigene Garten bringt Abwechslung auf den Speiseplan.


    So kann man zweitens Rechte und berechtigte Leistungen für sich und andere geltend machen und durchsetzen.


    Im Moment erkämpfe ich im Elbe-Wesergebiet rückwirkend bis zu mehrer tausend Euro für Alleinerziehende und deren Kinder, die dieser Gruppe seit 2005 vorenthalten werden. Mit großen Widerständen wurden die Zahlungen geleistet.


    Wie du gesehen hast könnte ich eine Menge Informationen beitragen, die natürlich den Rahmen des Artikels sprengen würden und wohl auch nicht deinem Ziel entsprechen.


    ALG II bedeutet: Relative Armut, Stigmatisierung, Diskreminierung, Depression, Frustation, Aggression (auf beiden Seiten, einer meiner Ratsuchenden ist von Mitarbeitern der ARGE geschlagen und gewürgt worden, weil auf Datenschutz gegenüber Aussenstehenden bestand, diese wurden durch die Polizei verhaftet) und verpasste Lebenschancen.


    Wolfgang


    E-Mail-Adress: [email protected]

  • Hallo Wolfgang,


    ich finde eure Situation sehr erdrückend und ganz ehrlich - wäre das das Thema, und würdest du aus unserer Region kommen, dann würde ich deinen Fall gerne beschreiben. Ich finde es ganz schlimm, wenn Menschen in eine solche Situation geraten und einfach nichts dafür können. Das trifft sicher auf einen Großteil der ALG II-Empfänger zu.


    Ich durfte selbst schon an dieser Ausweglosigkeit schnuppern nach meiner Ausbildung, deshalb habe ich damals angefangen zu studieren und nach dem Studium sah es zunächst als Geisteswissenschaftlerin auch nicht rosig aus, obwohl ich nebenher immer gearbeitet habe und zudem viele Praktika absolvierte. Ich bin mir inzwischen sicher, dass ich bisher viel Glück hatte.


    Glück wünsche ich dir und deiner Familie auf jeden Fall.

  • [email protected] - Wolfgang
    Lieber Wolfgang, habe mir schon gedacht, dass hinter dem guten Ratgeber auch ein schweres Schicksal steht. Habe mir die halbe Nacht um die Ohren geschlagen, um endlich auf DICH in diesem Forum zu stossen.
    Vielleicht können wir zusammenarbeiten. Ich "kämpfe" nun fast seit einem Jahr gegen das Unrecht, dass man den meisten der 6,7 Mio ALG II-Empfängern in diesem Land antut. Diesen "Kampf" für Recht und gegen Unrecht führte ich bisher alleine. Da kommt man nicht weiter (siehe meinen Beitrag "Arbeitslos nach ÖBS"). Heute war ich bei Ver.di in Berlin in der Sprechstunde. Morgen gehe ich wieder hin, da gibt es eine Veranstaltung zu den ERWERBSLOSEN. Mittlerweile ist es für mich zur Obsession geworden, gegen diese Art von Stigmatisierung von Millionen Menschen vorgehen zu müssen. Nur mal zum Vergleich: im Land Bulgarien, aus dem mein Mann Ianosch stammt, leben knapp 8,4 Mio Einwohner... , in Deutschland sind fast 10 Mio Menschen ohne Arbeit, solche, wie mich, gar nicht eingerechnet. Ich pflege nebenbeigesagt auch mit Herrn Westerwelle, dem Konsulat in Sofia und dem EU-Obman einen Schriftverkehr, um dem Land meines Mannes, das wunderschön ist, zu helfen. Aber hauptsächlich habe ich mich dem Kampf gegen Ungerechtigkeiten in unserem Land verschrieben, so, wie ich das schon zu DDR-Zeiten getan hatte. Ich habe es schon einmal erlebt, dass ein paar mutige Idealisten damit begonnen hatten, ein System zu ändern. Es hat geklappt. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich noch einmal in eine ähnliche Situation gerate. Und dies in einer Demokratie, für die ich doch so gekämpft hatte.
    Wenn ich hier, auf dieser Homepage, über so manche "Problemchen" lese, frage mich mich ernsthaft, wo dieses VOLK eigentlch hin will. Auf mein veröffentlichtes Anliegen habe ich bis heute 2 Antworten erhalten. Der Tenor zeigt, dass es mir wohl richtig passiert ist, dass ich meine Arbeit verloren habe, da es in Berlin noch viele Akademiker gibt, die auch "mal einen Job haben wollen". Dabei geht wieder einmal unter, dass ich für einen Hungerlohn gearbeitet habe und nur deshalb, weil ich ein idealistisches Anliegen verfolgt habe - nämlich, unseren jungen Menschen über das Schulwissen hinaus Allgemeinbildung zu vermitteln. Ich war, bevor ich diese ÖBS-Maßnahme annahm, weder langzeitarbeitslos, noch konnte ich die drei notwendigen Vermittlungshemmnisse vorweisen, die eine solche Stelle gerechtfertigt hätte. Auf Kosten unserer Kinder wurde ich ganz einfach nur für eine Wahlstrategie missbraucht. Der Bez.bürgermeister für Jugend und Bildung, der mir und den Kindern meiner Schule dieses Theater vorgespielt hatte, bewirbt sich nun auch noch um den Bez.Bürgermeisterposten. Um gegen ihn vorzugehen, wollte ich sogar in die CDU Köpenick-Treptow eintreten. Auf meinen Antrag (3 Wochen her, 2 E-Mails an den CDU- Stadtbez.vorsitzenden folgten), erhielt ich bis heute keine Antwort . Hat sich scheinbar bis zu ihm herumgesprochen, dass ich radikal im Denken und Sagen bin. So einen Menschen braucht man hier im Osten nicht! Mein Mann und ich lebten, bevor wir hier in den Osten von Berlin zogen, 20/10 Jahre im Westteil der Stadt. Nun müssen wir erkennen, dass hier, 20 Jahre nach der Wende, immer noch die alten Seilschaften regieren und das Sagen haben. Ich habe persönlich CDU-Mitglieder, hier im Bezirk, kennengelernt, die damit prahlten, dass sie früher mit der Kalischnikow in der Hand die DDR-Grenze bewacht hatten. Kein Witz. Auch der Anwärter auf den Thron des Bez.Bürgermeisters in T/K war früher Lehrer an einer sozialistischen Schule in der DDR. Quertreiber in einer Gesellschaft wurden schon zu allen Zeiten entweder auf den Scheiterhaufen gestellt, verbannt, in KZs und später in Hohenschönhausen oder Bauzen kalt gestellt. Heute, in dieser Demokratie, für die ich so viele Jahre meines Lebens gekämpft hatte, wird man einfach nur noch totgeschwiegen.
    Erschütternd für mich persönlich aber ist die Erkenntnis, die ich aus diesem Forum ziehe: Sollen denn tatsächlich all diejenigen Recht behalten, die der Meinung sind, das ALG II-Bezieher arbeitsscheue und faule Subjekte sind, die auf Kosten der Steuerzahler leben wollen?
    Wenn ich Anfragen lese, in denen es darum geht, wie man zu einem Krankenschein kommt, da man an einer dritten Weiterbildungsmaßnahme nicht teilnehmen möchte und als Antwort darauf erhält, dass doch wohl jeder (der schon lange in diesem Geschäft ist) weiß, wo es in seinem Umkreis Ärzte gibt, die da weiterhelfen, bin ich so perplex, dass ich mir sagen könnte: "Nein, für solche Sozialschmarotzer zu kämpfen, lohnt wirklich nicht!" Aber, genau solche Typen verköpern das Bild der ALG II-Empfänger nach Außen hinn (habe in meiner Familie auch einen Sohn, 29, der sich der Gesellschaft bewusst verschließt, die Gelder vom Staat aber ohne Skrupel in Empfang nimmt. Der Junge hat in seinem Leben noch nie einen Tag wirklich gearbeitet.
    Bezeichnend für viele dieser 6,7 Mio ALG II-Bezieher ist auch, dass mir heute bei VERDI gesagt wurde, dass es unmöglich ist, in Berlin eine Demo gegen H 4 zu organisieren. Bei Verdi sind über 10.000 ALG II-Bezieher registriert. Die Leute haben einfach kein Interesse daran, öffentlich auf die Straße zu gehen.
    Und für diese Menschen kämpfen nun ein paar Idealisten, zu denen Du und ich gehöre!


    Mit freundlichen Grüßen Ch. Ianuschewa - [email protected]