Wer zahlt bei Wiederspruch gegen MDK?

  • Ich bin aus dem ALG I Bezug heraus für mehrere Monate krank geworden und wurde nach 6 Wochen vom Arbeitsamt abgemeldet, da ich dann Krankengeld von der Krankenkasse bekam.
    Jetzt mußte ich zum MDK (medizinischen Dienst der Krankenkasse) und der Arzt schrieb ein Gutachten, dass ich wieder arbeitsfähig bin und mich beim Arbeitsamt melden soll.
    Meine Ärztin hat mich aber weiter krank geschrieben und Widerspruch gegen das Gutachten vom MDK eingereicht.
    Die Krankenkasse zahlt mir nun kein Geld mehr mit der Begründung, dass für sie das Gutachten des MDK maßgebend ist, der mich gesund geschrieben hat.
    Deshalb habe ich beim Arbeitsamt Leistungen beantragt, wurde dort genaustens ausgefragt und so kam heraus, dass ein Widerspruch läuft und meine Hausäztin mich weiterhin als krank beurteilt.
    Deshalb hat das Arbeitsamt meinen Antrag auf ALG I abgelehnt, mit der Begründung, dass für sie die Meinung meiner Hausärztin ausschlaggebend ist und was der MDK begutachtet spielt für sie keine Rolle. Für sie bin ich nicht arbeitsfähig, wenn meine Ärztin mich als krank beurteilt und Widerspruch einlegt und deshalb habe ich kein Anspruch auf ALG I.
    Auf meine Frage, ob mir das Geld denn nachgezahlt werden würde, wenn mein Widerspruch gegen das Gutachten des MDK abgelehnt wird, sagte sie, nein, denn ich bin für sie jetzt ja nicht vermittlungsfähig.
    Obwohl ich bereit bin, mich dem Arbeitsamt ganz zur Verfügung zu stellen, aber solange ich den Widerspruch nicht zurückziehe, sind sie nicht bereit mir Leistungen zu bewilligen.
    Wie sieht das denn rechtlich aus? Wer ist verpflichtet mir Leistungen zu zahlen?
    Dieser Prozeß kann sich über Monate hinziehen. Es kann doch nicht rechtens sein, dass ich bis dahin ohne Leistungen dastehe und wenn ich diesen Prozeß vielleicht verliere, nicht mal etwas nachgezahlt bekomme, obwohl ich ggü. dem AA zu allem bereit bin.
    Was soll ich denn jetzt machen???

  • Hallo Sparschwein


    Die Agentur hat Recht. Für diese bist Du nicht vermittlungsfähig und hier ist maßgebend, dass Dich dein behandelnder Arzt weiterhin für arbeitsunfähig hält. Sollte Dein Widerspruch Erfolg haben, so muss natürlich die Krankenkasse nachzahlen. Es sei denn, dass Du bereits 72 Wochen Krankengeld erhalten hast. Nach diesen 72 Wochen wirst Du automatisch von der Krankenkasse ausgesteuert. Hat sich der Gesundheitszustand nach der Aussteuerung nicht verbessert und eine Arbeitsaufnahme ist nicht möglich, müsste dann die EU Rente bei Deinem Rententräger beantragt werden. In der Zeit bis zur Klärung des Sachverhaltes, bleibt Dir wohl nur der Gang zum Sozialamt um hier Leistungen zu beantragen.


    Grüße charly599

  • Hallo Charly,


    danke für deine Antwort.


    Was ist denn, wenn mein Widerspruch keinen Erfolg hat? Muss dann das AA ALG I nachzahlen oder habe ich dann keinen Anspruch darauf?


    Bei der Sozialhilfe bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt beträgt der Vermögensfreibetrag ja nur 1600€, so dass ich auch da keinen Anspruch darauf habe.


    Die Rente habe ich beantragt, aber was ist, wenn diese abgelehnt wird?


    Zitat

    hier ist maßgebend, dass Dich dein behandelnder Arzt weiterhin für arbeitsunfähig hält.


    Gibt es da irgendein Gesetz oder eine andere Festlegung, wo dies schwarz auf weiß steht?
    Schließlich argumentiert die KK ja gerade andersrum, nämlich damit, dass das Gutachten des MDK maßgebend ist und über der Beurteilung meines behandelnden Arztes steht.
    Wenn es jedoch die umgekehrte Festlegung gäbe, müßte ich ja die KK verklagen, dass sie mir das Geld nicht weiter zahlt. Die 72 Wochen sind bei mir noch nicht rum.


    Ich habe jetzt etwas von der Nahtlosigkeitsregelung SGB III § 125 gelesen, dass man bei der AA auch Leistungen zur medizinischen oder beruflichen Reha beantragen kann. Würde dieses Gesetz bei mir greifen bzw. müßten sie mir das gewähren, auch wenn meine Ärztin mich weiterhin krank schreibt?


    Eigentlich hätte ich dem AA ja gar nicht sagen müssen, dass ich Widerspruch gegen das Gutachten des MDK eingereicht habe. Die KK hat mich aber dahingehend beraten, das AA auf ihren Erstattungsanspruch ggü. der KK hinzuweisen und gesagt, dass es keine Probleme geben würde, dass mir das AA das Geld bis zur Entscheidung zahlen würde und es ggf. dann zurückbekommt. Deshalb habe ich überhaupt nicht mit Problemen gerechnet und ihnen meine Situation ganz offen dargelegt.


    Wenn ich der AA jetzt einfach sage, dass ich das Gutachten des MDK anerkenne und den Widerspruch zurücknehme, ohne dies aber zu tun, was würde dann passieren? Müßten sie mir dann ALG I zahlen? Müßte ich dann irgendetwas beweisen?

  • Die Nahtlosigkeitsregelung nach § 125 SGB III greift dann, wenn Du noch Anspruch auf ALG I hast. Also angenommen es stehen Dir laut Gesetz 12 Monate ALG I zu und vor der Krankschreibung und den Zahlungen durch die KK konntest Du nicht die vollen 12 Monate abgelten, greift diese Regelung.


    Ein konkretes Urteil des BSG findest Du hier:


    http://www.ra-buechner.de/meldungen/M121-Arbeitslosengeld-nach---125-SGB-III-muss-solange-gezahlt-werden,-bis-die-Rentenversicherung-Erwerbsminderung-positiv-festgestellt-hat-.php

  • Vielen, vielen Dank Charly für den super passenden Link! Dieses Urteil zum Gesetz trifft den Nagel genau auf den Kopf. Dies ist das Gesetz, was ich von meinem inneren Rechtsempfinden her gesucht habe, ohne zu wissen, dass es dies gibt.


    Dennoch hätte ich noch ein paar Fragen dazu:


    - Woraus entnimmst du, dass dieses Gesetz nur dann greift, wenn ich noch einen Restanspruch auf ALG I habe?


    - Im Gesetz bzw. dem geposteten Urteil wird in erster Linie der noch nicht geklärte Anspruch auf Rente erwähnt, der die AA zur Zahlung von Arbeitslosengeld verpflichtet.
    Aber verhält dies sich genauso, wenn noch ein Anspruch auf Krankengeld vorhanden ist, der aber derzeit nicht geklärt ist? Ist die AA in diesem Fall genauso zur Zahlung verpflichtet?


    - Wenn ich beim Rententräger schon einen Antrag auf Rente gestellt habe, muss ich dann jetzt trotzdem auch bei der AA noch einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stellen, damit der Antrag auf Arbeitslosengeld I gilt oder erübrigt sich das in diesem Fall?


    - Läuft die Monatsfrist dazu auch dann, wenn mich die AA (noch) nicht dazu aufgefordert hat?


    - Kann es sein, dass das AA Ausführungsvorschriften hat, die diesem Gesetz widersprechen?
    Meine SB des AA beruft sich ständig auf ihre neuesten! Ausführungsvorschriften, gegen die sie nicht verstoßen darf. Können diese auch gesetzeswidrig sein?


    - Oder hat sich da in jüngster Zeit wirklich irgendetwas diesbezüglich verändert, weshalb dieses Gesetz nicht mehr in dieser Weise gilt? Weiß da jemand was?


    Vielen Dank für eure Hilfe,
    Sparschwein

  • Hallo,


    ich wollte hier mal berichten, wie es ausgegangen ist, vor allem für diejenigen, die vielleicht in einer ähnlichen Situation sind oder vielleicht mal dahin kommen.


    Charly schrieb:

    Die Nahtlosigkeitsregelung nach § 125 SGB III greift dann, wenn Du noch Anspruch auf ALG I hast. Also angenommen es stehen Dir laut Gesetz 12 Monate ALG I zu und vor der Krankschreibung und den Zahlungen durch die KK konntest Du nicht die vollen 12 Monate abgelten, greift diese Regelung.


    Wie ich jetzt herausgefunden habe, greift diese Regelung nur dann, wenn man von der Krankenkasse bereits ausgesteuert wurde, wenn man also keinen Anspruch auf Krankengeld mehr geltend machen kann:


    Geiger schrieb:

    Die Regelung des § 125 SGB III betrifft danach nur die Beziehungen zwischen dem Versicherten und der BA sowie dem Rentenversicherungsträger, indem sie bei länger dauernden, die objektive Verfügbarkeit ausschließenden Erkrankungen das Leistungsrisiko zwischen Arbeitslosenversicherung und gesetzlicher Rentenversicherung abgrenzt.
    Dagegen kann sich die Krankenkasse dem Versicherten gegenüber nicht auf § 125 SGB III in dem Sinne berufen, dass bei Feststellung einer nicht nur vorübergehenden AU, die mehr als kurzzeitige Beschäftigungen zu üblichen Arbeitsmarktbedingungen ausschließt, wegen der Fiktion ausreichender Leistungsfähigkeit nach § 125 SGB III das Nahtlos-Alg I dem Krankengeld vorgehe. Solange also noch Anspruch auf Krankengeld besteht, kommt die Regelung des § 125 SGB III nicht zum Zug.


    (BSG vom 3. 6. 2004 – B 11 AL 55/03 R)
    Geiger: Soziale Absicherung bei Zusammentreffen von Arbeitslosigkeit und Krankheit
    info also 2008 Heft 2
    http://www.elo-forum.org/schwerbehinderte-gesundheit-rente/26550-nahtlosigkeitsregelung-sgb-iii-125-hartz-iv-grundsicherung-sgb-xii-kapitel.html#post273129


    Stascheit/ Winkler schrieb:

    Arbeitslose, die gesundheitlich so stark beeinträchtigt sind, dass sie nach den üblichen Maßstäben nicht vermittelbar sind, laufen Gefahr, zwischen Krankenkasse, AA und Rentenversicherungsträgern hin- und hergeschoben zu werden; nach dem Motto:
    In arbeitslosen Ungesunden sehen wir nicht gerne "Kunden".
    Was bedeutet Nahtlosigkeit?
    Dies versucht § 125 Abs. 1 SGB III zu vermeiden. Er legt fest, dass solche Arbeitslose "nahtlos", d.h. ohne das man sie in Leistungslücken stößt, versorgt werden.
    Geht die AA von einem geminderten, für den Arbeitsmarkt aber noch ausreichenden Leistungsvermögen aus, ist ALG I nach § 117 SGB III zu zahlen, eventuell gemindert nach § 131 Abs. 5 SGB III.
    Die Nahtlosigkeitsregelung kommt in Betracht, wenn der Arbeitslose bereits bei Beginn der Arbeitslosigkeit arbeitsunfähig ist und ein Krankengeldanspruch nicht (mehr) besteht.


    Quelle: Ulrich Stascheit, Ute Winkler - Leitfaden für Arbeitslose, der Rechtsratgeber zum SGB III, 25. Auflage
    http://www.elo-forum.org/schwerbehinderte-gesundheit-rente/26550-nahtlosigkeitsregelung-sgb-iii-125-hartz-iv-grundsicherung-sgb-xii-kapitel.html#post386316



    Die KK hatte ja die Krankengeldzahlung eingestellt, weil der MDK mich gesund geschrieben hat, wogegen meine behandelnde Ärztin Widerspruch eingelegt hat. Die KK gab mir dann die Auskunft, dass das AA in diesem Fall in Vorleistung gehen muss und mir ALG I zahlen muss und dass die AA aber gegenüber der KK einen Erstattungsanspruch hat, wenn dem Widerspruch stattgegeben wird und ein zweiter Arzt des MDK die Einschätzung meiner Ärztin bestätigt. In diesem Fall würde die AA das Geld also von der KK zurückbekommen.


    Die AA wollte aber kein ALG I zahlen, weil sie das Gutachten des MDK nicht anerkannten und sich auf die Meinung meiner behandelnden Ärztin beriefen und auf den eingereichten Widerspruch gegen den MDK, also auf meine Arbeitsunfähigkeit. Als ich mich auf die Nahtlosigkeitsregelung in §125 SGB III berief, teilte mir die AA mit, dass diese erst greift, wenn man von der KK schon ausgesteuert wurde.


    Auch das Sozialamt war nicht für mich zuständig, da ich für Hilfe zum Lebensunterhalt mit meinem Erspartem über der zulässigen Vermögensfreigrenze von 1600€ liege. Außerdem darf man wirklich gar nichts mehr haben, nicht mal ein Auto. Alles muss man verkaufen und das Geld dafür erst aufbrauchen, bevor man sich beim Sozialamt melden kann. Und an dem Punkt bin ich zum Glück noch nicht.


    Da ich aber auch nicht vorhatte, jetzt monatelang ohne Einkommen dazustehen, habe ich nochmal mit der AA geredet und ihr gesagt, dass ich den Widerspruch gegen den MDK zurückziehen werde, wenn ich deswegen sonst kein Geld bekomme.
    Und nachdem ich der SB der AA dies gesagt hatte, von da an war sie wie ausgewechselt. Vorher schien sie wie taub auf den Ohren. Aber dann war sie auf einmal verständig und kooperativ. Zuerst versuchte sie, mich davon abzuhalten den Widerspruch zurückzuziehen und sagte, dies brauche ich doch aber nicht tun, wenn ich noch krank wäre. Ich sagte, der MDK hat mich aber gesund geschrieben und ich möchte jetzt nicht ohne Geld dastehen und deshalb werde ich den Widerspruch gegen den MDK zurückziehen und dann könnte ich ja meinen ALG I Anspruch geltend machen und die AA müßte auf jeden Fall zahlen.


    Als die SB merkte, dass ich ernst machen würde, besprach sie sich 5 Minuten mit einer Kollegin (oder Vorgesetzten) und dann verkündete sie mir, dass sie mir das ALG I zahlen werden und dass ich den Widerspruch gegen den MDK nicht zurückziehen solle, da sie das Geld ja dann von der KK zurückbekommen würden, wenn dem Widerspruch stattgegeben wird. Genau das hatte ich ihr ja vorher auf Anraten der KK auch schon versucht klarzumachen. Verstehen wollte sie das alles aber erst, als ich den Widerspruch zurückziehen wollte.
    Ich fragte, ob ich denn gegen den Ablehnungsbescheid der AA jetzt noch Widerspruch einlegen solle und sie sagte, das wäre nicht nötig. Sie wird mir den Bewilligungsbescheid schnellstmöglich zukommen lassen und am nächsten Tag hatte ich ihn!
    Das es so einfach geht, hatte ich nun wirklich nicht erwartet. So wurden mir 2000€ Anwaltsgebühren und ein jahrelanger Klageprozess doch noch erspart.


    Noch dazu ist mein von ihr berechneter Tagessatz an ALG I jetzt 20% höher als vor meiner Krankheit, also auch höher als mein Krankengeld, und ich habe wieder volle 12 Monate bewilligt bekommen, obwohl ich aber schon 6 Monate ALG I bezogen hatte, bevor ich krank wurde.
    Kann sich das jemand erklären?
    Am besten mache ich dazu eine neue Frage auf.


    @ Charly: Hast du meine zweite PN von vorletztem Samstag eigentlich gelesen?

  • Also gesetzt den Fall ich befinde mich in derselben Situation, würde ich gerne nochmal für alle die es interessiert das beste Vorgehen zusammenfassen:


    -AU besteht seit einigen Monaten


    -->Vom MDK "gesundgeschrieben"
    --> Widerspruch gegen MDK eingelegt, inklusive Schreiben des Hausarztes


    -Kein Anspruch auf ALG2 wg. Vermögensgrenzen


    -Anspruch auf ALG1 besteht durch vorhergehenden Versicherungszeitraum (Anstellung o.ä.)


    Ist das beste Vorgehen beim Arbeitsamt um das ALG1 gezahlt zu bekommen also folgendes?


    -Bei ALG1-Antragsstellung mitteilen, dass ich mich im Widerspruchverfahren AU mit MDK befinde, dass ich den Widerspruch gegen den MDK aber zurückziehen werde, wenn ich deswegen kein ALG1 bekomme ?


    Kann man das so stehen lassen?